Emotionale Intelligenz: Mehr als ein Werkzeug im Job

In vielen Diskussionen über Emotionale Intelligenz (EQ) geht es um ihre Nützlichkeit im Berufsleben. Sie gilt als Schlüssel, um Konflikte zu entschärfen, Motivation zu sichern und Leistung im Team zu steigern. Typische Übungen wie „zweimal tief durchatmen“ oder „eine Frage mehr stellen“ haben dabei ihren Wert. Sie sind praktikabel, leicht umsetzbar und helfen, schwierige Situationen abzufedern.

 

Doch genau hier liegt eine Gefahr: Die Funktionalisierung von EQ.

Wenn emotionale Intelligenz ausschließlich als Methode verstanden wird, bleibt sie an der Oberfläche. Sie wird zur Technik, um Verhalten zu steuern, Beziehungen zu managen und Effizienz zu steigern. Was dabei verloren geht, ist die eigentliche Tiefe: die Erfahrung, dass Emotionen nicht nur Hindernisse sind, sondern ein Zugang zu innerem Wachstum und echter Verbindung.

 

Emotionen als Rohstoff für Entwicklung

In meiner Arbeit im Biografie-Coaching und in der Notfallpädagogik München zeigt sich immer wieder: Emotionale Intelligenz entfaltet ihr Potenzial erst dann, wenn sie nicht als Werkzeug, sondern als Grundhaltung verstanden wird.

  • Selbstannahme: Gefühle werden nicht wegreguliert, sondern wahrgenommen und ausgehalten. Auch Angst, Ärger oder Traurigkeit haben ihren Platz.
  • Verbindung: Empathie ist mehr als eine Gesprächstechnik. Sie bedeutet, wirklich in Resonanz mit dem Gegenüber zu treten.
  • Transformation: Schwierige Emotionen lassen sich nicht nur kontrollieren, sondern auch verwandeln – in Mitgefühl, Klarheit, Kreativität.

 

Diese Dimension geht weit über den Nutzen im Job hinaus. Sie betrifft die Art, wie Menschen einander begegnen, wie Vertrauen entsteht und wie Beziehungen wachsen können – ob im beruflichen oder im persönlichen Leben.

 

Mehr als Effizienz

Natürlich kann funktionaler EQ kurzfristig Wirkung zeigen: bessere Abläufe, weniger Konflikte, höhere Loyalität. Doch ohne Tiefe bleibt er Technik – spürbar, oft kalkuliert und auf Dauer wenig tragfähig.

 

Als Haltung verstanden, wird emotionale Intelligenz zu etwas anderem: Sie eröffnet die Möglichkeit, Emotionen nicht nur zu managen, sondern sie als Teil des Lebens zu begreifen und für Entwicklung zu nutzen. So kann aus einer schwierigen Erfahrung ein Impuls für Wachstum werden, aus Distanz echte Nähe, aus Kontrolle Vertrauen.

 

Zusammenfassend

Emotionale Intelligenz ist kein Set von Tricks. Sie ist Praxis und Reifung, die im Alltag geübt und gelebt werden kann. Wer sie auf die Funktion reduziert, verschenkt ihr eigentliches Potenzial. Wer sie als Haltung integriert, erfährt, dass emotionale Tiefe nicht stört, sondern trägt – für Führung, für Zusammenarbeit und für das eigene Leben.

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Die Lebensgeschichte als Weg zum Menschen

Jeder Mensch trägt eine Geschichte in sich – voller Höhen und Tiefen, voller Begegnungen, Brüche und Neuanfänge. Diese Lebensgeschichte ist mehr als eine Sammlung von Fakten. Sie ist ein lebendiger Prozess, der uns formt, begleitet und herausfordert.

Wenn wir uns ihr zuwenden, entdecken wir, dass die Lebensgeschichte ein Weg ist: ein Weg zu uns selbst und zugleich ein Weg zum anderen Menschen.

Mehr als Fakten: Das Erzählen als Königsweg

Eine bloße Chronik von Daten und Ereignissen greift zu kurz. Erst im Erzählen entsteht ein Zusammenhang, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbindet. Erzählungen sind kein Beiwerk, sondern der Königsweg zum Verstehen von Individualität. Sie machen sichtbar, wie aus Fragmenten Sinn erwächst und wie sich ein „biografisches Selbst“ formt – jener innere Kern, der uns unverwechselbar macht.

Wahrnehmen, verstehen, gestalten

Eine Lebensgeschichte erschließt sich nicht durch Kategorisieren oder Etikettieren. Es geht darum, sie in ihrer Einzigartigkeit wahrzunehmen, ihre inneren Bewegungen zu verstehen und schließlich zu einer künstlerischen Gestaltung zu finden. In diesem Prozess tritt das Besondere hervor, das sonst im Alltag leicht übersehen wird.

Der Königsweg zur Begegnung

Die individuelle Lebensgeschichte ist mehr als ein persönliches Erinnern. Sie ist eine Brücke zur Begegnung. In ihr begegnen sich das Einmalige und das Allgemeine: Wir erkennen uns selbst und lernen, andere in ihrem Werden zu begleiten. Diese Arbeit verlangt allerdings eine innere Bereitschaft – die Bereitschaft, nicht nur den anderen, sondern auch die eigene Geschichte neu zu sehen.

Eine Einladung

Die Lebensgeschichte als Weg zum Menschen bedeutet: offen zu bleiben für das Unvorhersehbare, achtsam zuzuhören und Resonanzräume entstehen zu lassen. Wer diesen Weg geht, erfährt, dass jede Biografie Teil eines größeren Netzes ist. Keine Geschichte steht allein – sie ist immer mit anderen verflochten.


Mein Angebot: In meiner Arbeit begleite ich Menschen dabei, ihre Lebensgeschichte bewusst wahrzunehmen, zu verstehen und zu einer künstlerischen Gestaltung zu finden – und daraus Orientierung und Kraft für die Zukunft zu schöpfen.

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Wenn Angst kippt

Trauma, Selbsthass und die Spirale der Gewalt

Die Nachrichten aus Schweden sind verstörend: Immer mehr Mädchen im Teenageralter lassen sich von kriminellen Banden rekrutieren. Sie schießen, sie verüben Anschläge – und sie treffen Entscheidungen über Leben und Tod.

Wie kann es dazu kommen, dass eine 15-Jährige in der Lage ist, auf den Kopf eines Menschen zu zielen?


Trauma als Quelle hemmungsloser Gewalt

Hinter dieser Enthemmung stehen nicht nur soziale Rollenbilder. Viele dieser Mädchen sind selbst schwer verletzt: Opfer sexueller Gewalt, mit unbehandelten Traumata und Suchtproblemen.

Trauma, das nicht verarbeitet wird, bleibt als eingefrorene Angst im Körper bestehen. Wenn diese sich löst, ohne Halt zu finden, kommt es zur Überflutung des endokrinen Systems – eine Explosion von Überlebensenergie, die Töten möglich macht. Gewalt wird dann zum Ausdruck von Selbsthass, Wut und einer zerstörten Sehnsucht nach Kontrolle.


Gewalt als Schatten der Lebenssehnsucht

Jede Gewalt ist eine verunstaltete Leidenschaft für das Leben. Wird diese Energie nicht aufgefangen, kehrt sie sich ins Gegenteil. Aus Lebenslust wird Todeslust.


Warum zuerst Traumarbeit notwendig ist

Bevor biografische Arbeit ansetzen kann, braucht es eine unmittelbare Traumabegleitung, die den Körper reguliert und die eingefrorene Angst löst. Methoden wie Somatic Experiencing® und SOMA Embodiment® öffnen hier den Zugang: Sie setzen direkt an der körperlichen Überwältigung an und schaffen die Voraussetzung, dass Lebensenergie nicht in Gewalt kippt, sondern wieder bewohnbar wird.

Erst wenn diese Arbeit geschehen ist, kann Biografiearbeit ihren Platz finden. Dann wird es möglich, Bruchstellen nicht nur zu sehen, sondern sie in die eigene Lebensgeschichte einzuordnen – und neue Wege der Selbstgestaltung zu entwickeln.


Biografische Arbeit als zweite Ebene

In dieser Reihenfolge – erst die körperliche Traumaarbeit, dann die biografische Integration – entsteht eine Perspektive, die Transformation möglich macht. Aus Selbsthass kann Selbstmitgefühl werden, aus zerstörerischer Energie eine schöpferische Kraft.

So zeigt uns das Beispiel aus Schweden: Ohne Traumarbeit bleibt biografische Arbeit abstrakt. Erst die Verbindung beider Ebenen eröffnet den Weg aus der Spirale der Gewalt.

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Wendepunkte im Leben - Einladung zur Gestaltung

Biografische Entwicklung verläuft nicht in geraden Linien. Sie ist kein Plan, den wir Schritt für Schritt abarbeiten. Manchmal kündigt sich Neues leise an, manchmal steht es plötzlich vor der Tür – und nichts ist mehr, wie es war.

Wendepunkte können viele Gesichter haben: eine berufliche Veränderung, der Beginn oder das Ende einer Beziehung, eine plötzliche Krankheit, ein Umzug, ein unerwartetes Ereignis, eine Begegnung, die unsere Sicht verändert.

Solche Momente bringen Bewegung in unser Leben – und manchmal auch Verunsicherung. Die entscheidende Frage ist dann nicht, ob wir sie kontrollieren können, sondern:

Wie begegnen wir ihnen?

Können wir die darin liegenden Möglichkeiten sehen? Sie mit unserer eigenen Lebensgeschichte in Beziehung setzen?

In meinem Coaching arbeite ich mit Menschen genau an diesem Punkt. Wir öffnen gemeinsam den Raum, um zu verstehen, was war, zu erkennen, was werden will, und den nächsten Schritt bewusst zu gestalten.

Ein Wendepunkt ist kein Ende – er ist die Einladung, die eigene Geschichte neu zu schreiben.

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Es ist an der Zeit – Ein altes Lied im Licht heutiger Kriege

Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
dort, wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn …

Wenn im Lied Es ist an der Zeit vom Grab eines jungen Soldaten erzählt wird, der sein Leben im Ersten Weltkrieg verlor, wirkt das für viele wie eine ferne Geschichte. Doch wer genau hinhört, spürt schnell: Diese Fragen sind heute so aktuell wie damals.

In der Ukraine sterben junge Menschen im Krieg. Im Gazastreifen verlieren Kinder und Erwachsene unter Bomben ihr Leben. Und im Sudan herrscht seit April 2023 ein Konflikt zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF). Die Zivilbevölkerung trägt die Hauptlast: Sexualisierte Gewalt ist weit verbreitet, die medizinische Versorgung ist vielerorts zusammengebrochen. Laut den Vereinten Nationen hungern mehr als 26 Millionen Menschen – etwa die Hälfte der Bevölkerung.

Auch sie haben „ihnen alles gegeben – ihre Kraft, ihre Jugend, ihr Leben“.

Die Zeile aus dem Lied „Auch dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heut immer noch tun“ ist damit mehr als ein poetischer Satz. Sie beschreibt bittere Realität.

Der Physiker Hans-Peter Dürr sagte einmal: „Materie ist gefrorenes Licht.“ Er wollte damit ausdrücken: Alles Leben ist Ausdruck einer gemeinsamen Quelle. Jeder Mensch, gleich wo er lebt, gehört zu diesem Licht.

In dieser Sicht ist es nicht gleichgültig, ob ein Mensch anonym im Krieg stirbt oder ob wir ihn kennen. Jeder Name, jede Geschichte zählt.

„Es ist an der Zeit“ bedeutet heute, nicht nur zu erinnern, sondern Strukturen zu hinterfragen, die Gewalt und Zerstörung immer wieder ermöglichen. Und es bedeutet, nicht zu vergessen: Hinter jeder Zahl, hinter jeder Nachricht stehen Menschen mit ihrem Leben und ihrer Würde.

Es ist an der Zeit.

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Angst und Steuerung

Angst und Steuerung – oder der Ruf nach biografischer Selbstverantwortung

Ja, Angst wirkt. Sie verengt das Wahrnehmungsfeld, aktiviert Notprogramme, schränkt die Beziehungsfähigkeit ein – und dies in einem Ausmaß, das gerade bei Kindern erschreckend sichtbar wird: Erstarrung, Rückzug, Schlafstörungen, aber auch aggressive Entladung können Folgen sein. Wer mit traumapädagogischer oder körperorientierter Erfahrung auf die gesellschaftlichen Prozesse der letzten Jahre blickt, erkennt viele dieser Reaktionsmuster nicht nur im individuellen, sondern auch im kollektiven Verhalten wieder.

Doch Angst ist nicht nur ein Steuerungsinstrument „von oben“. Sie ist ebenso das Resultat fehlender Selbstanbindung – und hier beginnt unsere eigene Verantwortung. Es reicht nicht, die Mechanismen von Politik und Medien zu kritisieren. Wir sollten uns ebenso fragen: Was macht uns so anfällig dafür? Warum klammern wir uns an Klarheiten, die auf Angst statt auf Wahrheit beruhen?

Wer biografisch denkt, erkennt: Der Mensch ist kein reines Reiz-Reaktions-Wesen. Seine Geschichte ist keine Kausalkette, sondern eine Zeitgestalt. In ihr wirkt das Ich nicht nur als Getriebener, sondern – in reiferen Momenten – als Autor der eigenen Lebensgeschichte. In einer Gesellschaft, in der die biografische Dimension zunehmend vernachlässigt wird, wächst der Raum für Projektion, für Zuschreibung, für kollektive Emotion ohne Verankerung. Die Folge: Wir verlieren die Fähigkeit, Widerspruch zu ertragen – nicht nur politisch, sondern auch innerlich.

Die Alternative zu Angst ist nicht Naivität. Es ist der Mut zur Eigenverantwortung, zur Unterscheidung, zur biografischen Arbeit an sich selbst. Denn Angst lässt sich nicht einfach „wegdenken“ – sie will gehört, verstanden, transformiert werden. Erst dann wird sie zur Ressource: zur Wachsamkeit, zur Sensibilität, zur Kraft, dort zu handeln, wo wir wirklich betroffen sind – und nicht nur medial aktiviert.

Vielleicht ist das der leise Gegenentwurf zum Dauer-Alarmzustand: ein Mensch, der sich seiner eigenen Geschichte bewusst wird. Der weiß, dass Wahrheit nicht immer bequem ist – aber dass sie in ihm selbst beginnt. Nicht im Echo der Schlagzeilen.

(Nach einem LinkedIn Beitrag von André Schmitt: Angst als Waffe – Wie Politik und Medien unsere Wahrnehmung steuern)

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Privatisierter Lebensschutz – Warum die Menschenwürde nicht erst mit der Geburt beginnen darf

Am 10. Juli 2025 wurde die Wahl von Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin überraschend vertagt. Anlass war nicht allein ihre umstrittene Haltung zur Menschenwürde. Hinzu kam ein Plagiatsvorwurf: In ihrer Dissertation von 1997 sollen sich auffällige Textparallelen finden – ein Vorwurf, der nun geprüft wird.

Diese Entwicklung macht sichtbar, worum es in Wahrheit geht: Nicht nur um juristische Präzision. Sondern um Vertrauen in die ethische und menschliche Integrität derer, die über Grundrechte entscheiden sollen.

Und genau darum lohnt es, die inhaltliche Debatte weiterzuführen: Darf ein Verfassungsgericht Menschenwürde so definieren, dass sie erst mit der Geburt beginnt?

Der Embryo – ein resonanzfähiges, mitgestaltendes Wesen

Moderne Embryologie und Traumaforschung sind eindeutig: Der Embryo ist von Anfang an kein bloßer Zellhaufen. Er nimmt wahr, reagiert, verarbeitet Sinneseindrücke und emotionale Zustände der Mutter. Pränatale Erfahrungen prägen das Nervensystem, binden Bindungs- und Affektmuster ein. Trauma beginnt nicht erst nach der Geburt – es beginnt davor.

Die These, Menschenwürde beginne juristisch erst mit der Geburt, ist damit wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Sie blendet das real existierende, schutzbedürftige Menschsein aus.

Menschenwürde als verschiebbare Größe?

Frau Brosius-Gersdorf argumentiert: Menschenwürde vor der Geburt sei ein „biologistischer Fehlschluss“. Das ist eine normative Setzung – aber sie widerspricht sowohl der Realität des menschlichen Werdens als auch der ethischen Grundidee unseres Grundgesetzes.

Wenn Wahrnehmung, Beziehung und Schmerzverarbeitung vor der Geburt beginnen, warum sollte der Staat seinen Schutz erst danach einsetzen?

Von der NS-Euthanasie zur Privatisierung

In der NS-Zeit entschieden zwölf Ärzte zentral über Leben und Tod. Heute ist diese Entscheidung privatisiert: Die Schwangere allein trägt sie, oft unter erheblichem Druck.

Doch das Grundproblem bleibt: Der Staat zieht sich aus der Verantwortung zurück. Das Ungeborene bleibt rechtlich ungeschützt, obwohl es in einem Zustand maximaler Abhängigkeit existiert.

Akademische Integrität und ethische Verantwortung

Dass nun zusätzlich ein Plagiatsverdacht gegen Brosius-Gersdorf besteht, verstärkt das Bild: Wer ethisch und juristisch an der Grenze argumentiert, muss auch akademisch ohne Zweifel bleiben.

Schon ihr Doktorvater Horst Dreier scheiterte 2008 an seiner Nominierung, weil seine Haltung zur Menschenwürde als zu relativ empfunden wurde. Heute stellt sich diese Frage erneut.

Wollen wir ein Verfassungsgericht, das Menschenwürde so definiert, dass das verletzlichste Leben ausgeschlossen wird?

Aufgabe: Recht und Leben zusammenführen

Unsere Zeit verlangt nach einer Ethik, die den Menschen als Beziehungswesen ernst nimmt – von Anfang an. Die Geburt ist ein Übergang, kein Anfang.

Die Wahl von Verfassungsrichtern entscheidet nicht nur über juristische Kompetenz, sondern über unser gemeinsames Menschenbild.

Die Lücke zwischen Gesetz und Leben zu schließen, bleibt Aufgabe – gerade jetzt.

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Inklusions braucht Haltung - nicht nur Gesetze

Einleitung:
Der Gegenvorschlag zur Inklusions-Initiative liegt vor – und er wird von vielen aus der Inklusionsbewegung in der Schweiz kritisch gesehen. Auch ich sehe darin vor allem eine verpasste Chance. Denn was wir brauchen, ist mehr als ein rechtlicher Rahmen: Wir brauchen einen Haltungswandel.

Text:
Am 25. Juni 2025 hat der Bundesrat der Schweiz seinen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen» vorgestellt. Zwar enthält dieser erste wichtige Schritte – etwa ein Inklusionsrahmengesetz, die Teilrevision des IVG und Anpassungen im Behindertengleichstellungsgesetz. Doch es fehlt ihm an Klarheit, Verbindlichkeit und vor allem: an Weitblick.

Inklusion lässt sich nicht einfach anordnen. Sie entsteht dort, wo Haltung wächst – in der Verwaltung, in Institutionen, im Alltag jedes Einzelnen. Ein Gesetz kann Rechte definieren, aber keine Zugehörigkeit stiften. Es kann Diskriminierung untersagen, aber nicht automatisch Respekt erzeugen.

Die entscheidende Frage lautet daher:
Wo endet Inklusion – oder beginnt sie gerade erst?

Wenn wir Menschen nach Kategorien bewerten – behindert/nicht behindert, leistungsfähig/leistungsgemindert –, verlieren wir den Blick für das Wesentliche:
Jeder Mensch ist einmalig und nicht wiederholbar.

Eine inklusive Gesellschaft fragt nicht, ob jemand „dazugehört“, sondern wie wir Strukturen und Haltungen so gestalten, dass Teilhabe selbstverständlich wird.


Der Gegenvorschlag bleibt ein Teilschritt. Was wir brauchen, ist ein gesellschaftlicher Kulturwandel. Inklusion beginnt nicht mit einem Gesetz. Sie beginnt mit dem Blick auf den Menschen.

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KI ist kein Fortschritt, wenn der Mensch stehen bleibt.

Sam Altman beschreibt in „The Gentle Singularity“ eine Zukunft, in der digitale Superintelligenz unser Leben prägt – schneller, effizienter, produktiver. Vieles davon ist technologisch beeindruckend. Und doch bleibt der Mensch in dieser Vision erstaunlich blass.

Denn echte Entwicklung braucht mehr als Rechenleistung. Sie braucht Urteilskraft, Einfühlungsvermögen, Vorstellungskraft – Fähigkeiten, die sich nicht automatisieren lassen. Fortschritt ist nicht nur Evolution der Systeme, sondern Involution des Menschen: eine Bewegung nach innen, die Haltung und Verantwortung einschließt.

KI kann uns unterstützen – ja. Aber sie kann uns nicht ersetzen. Und sie darf uns auch nicht ablenken von der Frage, wie wir selbst wachsen wollen.

Meine Replik auf Altmans Text ist ein Plädoyer für eine menschenwürdige Entwicklung.
Nicht gegen Technik – sondern für eine Zukunft, in der Technologie dem Menschen dient, nicht umgekehrt.

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Zölle, Glaube und Kontrolle – Trumps Politik zwischen Wirtschaftskrieg und Kulturmacht

Einleitung

Was zunächst wie ein Zollkonflikt erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Teil einer umfassenden politischen Strategie. Donald Trump geht es um mehr als wirtschaftliche Vorteile – es geht um Kontrolle, Deutungshoheit und kulturelle Neuordnung. In diesem Text werden zentrale Maßnahmen seiner zweiten Amtszeit aufgezeigt und deren mögliche Folgen für den Menschen eingeordnet.

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